Provokante Konstruktionen !
Vorarlberger
Baukultur in Frankreich zu präsentieren ist eine Sache, dies im eigenen
Land zu tun und noch dazu in einem Kunsthaus, provozierte Gegenfragen aus einem größeren Umfeld.
Hat sich die „Konstruktive Provokation„ hier in „Provokante Konstruktionen„ verkehrt ?
Schon die markante Ausstellungsgestaltung von Marte.Marte
Architekten hat Distanz zu den Erzählungen und Vertiefungen der
Ausstellungskörper
gezeigt. Ein kunsthaft weißer Sattelschlepper, Synonym für regionalen Aufbruch
(oder
globalisierten Warenverkehr?) und das gleißend flirrende
Leuchtstoffröhrenfeld
(mit der Heizleistung von 5 Einfamilienhäusern) haben Kontroversen
provoziert.
Sieben
gut besuchte Gesprächsrunden zur Ausstellung „Konstruktive Provokation“
haben
im diskursiven Rahmen des Bregenzer Kunsthauses eine aktuelle
Positionierung
der Vorarlberger Architektur versucht. Nicht in einer direkten
Darstellung,
dazu waren die meisten Teilnehmer zu emotional, zu verbunden, zu nahe
am
Objekt, obwohl sie alle gerade wegen
ihrer Distanz zur Vorarlberger Architektur
ausgewählt wurden. Kulturwissenschafter wie Hans Haid auf der Suche
nach neuem
Leben im Alpenraum oder Bernhard Tschoffen („Monolithkultur!“),
Künstler wie
Franz Gassner auf der Suche nach dem Geistigen in der (Bau)kunst James
Joyce
zitierend:“ Es ist immer die Frage aus welcher Tiefe die Kunst
entsteht“,
Gottfried Bechtold über „biedere Holzkisten und Designschaas“ polternd,
Hubert
Matt, der „ kein Interesse an der Vermessung der Realität“ sah oder der
Literat
Wolfgang Hermann, der seltsam schwärmerisch blind für das Wesen
zeitgenössischer Architektur sich nach dem menschlichen Maß und dem 19.
Jahrhundert
sehnte, Architekturrezensenten, wie der in München lebende Frank
Kaltenbach,
der die Vorarlberger Architektur als gesättigte Lösung“ umschrieb und
schließlich die Architekten Cukrowicz/Nachbaur, Philip Lutz und
Marte.Marte, die über 18 selbstgewählte Begriffe ihre "Neuen Motive"
und Motivationen zum Bauen umschrieben und oft überraschende Einblicke
in ihren Arbeitsweise gewährten. Sie alle
schafften schließlich eine Standortbestimmung auf indirektem Wege: Über
Widersprüche und über die spürbare Differenz zwischen dem Gesagten und
dem was
ist oder war.
Als
Essenz aus dieser Reihe blieben eine Handvoll wertvoller Fragen.
Woher ist diese Distanz zwischen der Architektur und
anderen
Kulturträgern entstanden?
Wie entsteht die Polemik der „Stocktrotteln“ und stimmt der beobachtete „Mangel an Realitätsvermessung“? Ist die Verständnislosigkeit eines Literaten wie Wolfgang Hermann oder auch die spontane Attacke eines Christian Mährs auf dem letzten Wohnbauforum nicht auch zugleich ein beispielhaftes und ernstes Signal dafür, dass der Dialog zu Kunst und Kultur abgerissen ist? Wurde die Vermittlung grundlegender Inhalte in diese Richtung ver-säumt? Dieser Dialog ginge aber deutlich über reine Vermittlung hinaus. Wären nicht aus diesem Diskurs „auf Augenhöhe“ ernstzunehmende und substantielle Gegenfragen zu erwarten?
Ist Otto Kapfingers Bild von den „aneinander
vorbei
rasenden Züge“ ein Problem der Architekturschaffenden oder ein
allgemein
gesellschaftliches Phänomen?
Welche Ungeheuer müssen hier verdrängt
werden,
dass ein Psychogramm des Bauens nicht gelingen will?
Bedeutet das
Abdrehen der
überhitzten medialen Aufmerksamkeit einen fatalen „Liebesentzug“ oder
die
Chance zu einer neuen Vertiefung und neuen Inhalten? Immer wieder
wurden in den
Diskussionen und auch von den Zuhörern neue Aspekte eingefordert: Die
Rolle der
Bauherrn, das Wechselspiel mit dem Handwerk, die Vergeistigung der
Baukunst.
Beginnen wir den Bildern selbst zu glauben?
Auf ihre Weise hat sich die Vorarlberger Baukultur als Gesamterscheinung
erfolgreich gewehrt gegen noch so präzise Zusammenfassungen,
Verkürzungen,
Verklärungen und letztlich gegen ihre Abbildbarkeit. Zwei Exkursionen
im
Rahmenprogramm haben schließlich einen Weg zur Architektur gesucht,
über die
tatsächliche Begehung des Raums und die Wahrnehmung von Ort und
Bewohner. Ein
Weg, der von den Baukünstlern selbst seit den frühen 80er Jahren immer
wieder
zu teils heftigen Diskussionen über ihre Bauten genutzt wurde.
Die
Unübersetzbarkeit von Architektur ist deutliches
Zeichen für ihre Eigensprachlichkeit, die immer wieder unterschätzt
wird. Dass
sich das Original letztlich größer, heterogener zeigt, deutet auf
dessen
Lebendigkeit. Doch auch als Hinweis, dass aufmerksame Kritik selbst
erfolgen
muss und nicht von außen kommen kann.
Robert
Fabach, 23.März 2005
![](mail_grey.gif)
*
|
|