Wie Sportwüsten durch Gartenkunst Kulturblüten treiben könnten und warum es bei Spitzensportlern und Lorbeerpflanzungen vor allem um die eigene Geschwindigkeit geht. Mario Terzic beschreibt die Zusammenhänge und Hintergründe seiner Arbeit und seine Motivation auf dem Weg von den White Cubes der Kunstgalerien zu den brachialen Momenten von Sportlandschaften.Inhalt: > Die Vision zum Ort des Mythos Götzis > Mythen mit oder ohne Sockel ? > Drei Naturen > Zwei Ebenen - Bewegung und Betrachtung > Die Genese von Bildern im Sport > Von der Kunst zum Garten Die Vision zum Ort des Mythos GötzisIm Rahmen des legendären, heuer zum 30ten Mal stattfindenden Mehrkampf-Meetings in Götzis wurde von Mario Terzic eine gartenkünstlerische Vision für die Ausgestaltung des Mösle Stadions präsentiert. Darin fasst der Wiener Künstler und Professor an der Universität für Angewandte Kunst das Leichtathletikstadion, den Tennisclub und das Gymnasium in einer riesigen, geometrisch durchgestalteten Gartenanlage zusammen, die von verschiedensten Nutzgärten, Alleen und Wegen, sowie gartenkünstlerischen Installationen erfüllt wird. Diese Vision einer Synthese von Sport und Kultur wurde im Gemeinderat, aber auch von der Bevölkerung, die während des Wettkampfs die Möglichkeit zur Diskussion mit Mario Terzic hatte, mit vorsichtiger Begeisterung aufgenommen In dieser positiven Grundstimmung zum öffentlichen Raum wird gerade auch die von den Feldkirchner Architekten AIX geplante Platzgestaltung rund um die Kulturbühne und das Junker Jonas Schlössle fertiggestellt. Bürgermeister Huber sieht in der Vision für das Mösle Stadion einen Anstoß zu einer landesweit bedeutsamen und nutzbaren Einrichtung, die "als Sportpark Götzis zu einem Ganzjahresereignis für Sportfans, Gartenliebhaber, Erholungssuchende und Kunsttouristen werden kann. Eingebettet im Vorarlberger Rheintal, im engen Verband mit anderen Kommunen, ist dieser Platz einmalig." Diese Vision unterstreiche den Mythos "30 Jahre Mösle -Meeting, werde weitergetragen und ins internationale Medienfenster gestellt. Die Vorstellung eines Gartens - einer im Grunde städtischen Einrichtung - ergänzt sich mit den laufenden Diskussionen um die Entwicklung des Rheintals. Vorschläge wie diese weit ausgreifende Ideesammlung mit ihrer vermittelnden Visualisierung - sind auch methodisch wertvolle Beiträge zu dem bislang schwer greifbaren Projekt "Vision Rheintal". In diesem Zusammenhang sei auch die Idee der Riedlandschaft als "Central Park" des Rheintals erwähnt. Wenn das Ried zukünftig durch immer stärker konturierte Siedlungsgrenzen sich zum Typus des Landschaftsparks wandelt, entspricht die Vision des Mösle Stadions dem Gegenentwurf eines geometrischen Gartens, als umschlossenes Paradies. Doch der raumplanerische Aspekt ist lediglich eine regionaler Anknüpfungspunkt. Die Vision Mösle Stadion ist eigentlich Teil des übergeordneten Projektes "Sopraelevate - Sportscapes reviewed", in dem neun legendäre Sportstätten aus ihrem grauen Dasein als Hinterbühnen medialer Megaevents erweckt und zu sinnlich gartenkünstlerischen Kulturorten verwandelt werden sollen. Mario Terzic und Trinidad breiten auf dem Untergrund ihrer bisherigen Arbeiten ein umfangreiches kulturtheoretisches Themenfeld aus, das sich in ehrfurchtsgebietenden Verzweigungen durch Sportgeschichte, historische Gartenkunst, Kulturkritik und Alltagsmythologien rankt. Die Praxis der künstlerischen Intervention und die Lust nach dem Zusammenprall, der Erprobung an der Wirklichkeit versehen es mit überaus konkreten Umsetzungsstrategien.
Robert
Fabach:
In
früheren Projekten, wie beispielsweise “Harrach GT” zur Neunutzung des
historischen Harrachparks in Bruck an der Leitha haben Sie bereits den
Autorennsport
als hochpräzise Bewegung durch die Landschaft, den offenen Sportwagen
als
zeitgemäßes Instrument der Inszenierung beschrieben. Mit
“Sopraelevate”,
benannt nach dem italienischen Begriff für die Steilkurven der
Rennstrecke in
Monza, führen Sie die Gartenkunst und die künstlerischen Wahrnehmung
des
sportlichen Wettkampfs zueinander und entwarfen kulturell aufgeladene
Nutzungen
zu einer Reihe von legendären Sportstätten. Was war dabei für Sie der
Einstiegspunkt? Mario
Terzic:
Zu Beginn stand Silverstone. Wir waren mit der
Meisterklasse für Landschaftsdesign auf einer Exkursion im englischen
Landschaftsgarten Stowe. Dabei sind uns die entfernten Geräusche von
Rennwagen
aufgefallen und haben dabei erst erfahren, wie nahe Stowe und die
Rennstrecke
von Silverstone beieinander liegen. Dem klangvollen Namen folgend haben
wir uns
das angeschaut. Dabei ist uns gekommen, was für eine „G´stättn“ das
dort ist.
Nach dem Rennen ist der ganze Ort übersät mit Dosen, Flaschen und Mist.
Das restliche
Jahr steht das dann leer. Im Grunde wie in Götzis. Da ist einmal im
Jahr das
Riesen-Ereignis und dann laufen halt ein paar Schüler ein bisschen im
Kreis. Im
Grunde eine faszinierende Unternutzung. Das geht doch nicht, dass so
kostbare
Landschaften so lang leer stehen und so bildlos leer stehen. Der
historische
ausgereifte Garten, egal welcher Ausprägung, ob der italienische
Renaissancegarten oder sonst was, erzählt in Bildern, und Figuren und
geordneten Räumen, erzählt die Legende. Wieso erzählt dieser Platz
nichts. Man
geht auf die Rennstrecke nach Le Mans und sieht dort zwar ein wenig,
die
Tribünen, die Sturzräume, aber wo ist der große Mythos? Wenn der
Bürgermeister
vom Mösle Stadion spricht, spricht er vom Mythos Götzis . Aber man
kommt
hierher und sieht einen kleinen grünen Zettel und drauf steht “Mösle
Stadion”.
Eigentlich müsste ja etwas Tolles zu sehen sein.
Mythen
mit oder ohne Sockel ?
RF: Vielfach leben aber
diese legendären
Veranstaltungsorte, wie z.B. auch das Kammermusikfestival Lockenhaus,
davon,
dass sie unbeachtet sind, verwunschene Gärten. Der Mythos entsteht aus
dem
Nichts, durch die Menschen, Aktivitäten und Persönlichkeiten, die sich
dort
treffen und messen. Besteht nicht die Gefahr, dass dieser Mythos durch
die
Erhebung des Unscheinbaren redundant wird. Wenn dort bauliche,
landschaftliche
Monumente, den Ort bereits so besetzen, kann diese Erwartung dann nur
mehr
erfüllt werden, aber nichts mehr dort überraschen und das Unerwartete
die Magie
der Legende erzeugen? Hätte sich H. C. Artmann an einen Tisch gesetzt,
an dem
die Tafel stünde: “An diesem Tisch saß H. C. Artmann” ?
MT: Wann immer ein Traum
ausformuliert wird,
besteht die Gefahr, dass er entweder präzis getroffen wird – das ist
das
Optimum - und kulturell auf lange Zeit fruchtbar wird, oder sich
zerstört. Jeder große Gedanke hat eine
lange
Vorbereitungszeit. Vor der ersten Manifestierung des englischen
Landschaftsgarten hat es Jahrzehnte gebraucht, in denen man geträumt
hat, der
Natur anders zu begegnen als über geordnete Beete. Das Selbe kann man
von der
abstrakten Malerei sagen. Jahrzehnte lang haben die Maler diskutiert,
das
abstrakte Spiel der Farben evoziert und dann war es auf einmal da. Dann
verbrennt
das in wenigen Jahren. Das
ist das künstlerische Risiko. Die Menschen, die diese Bilder so heftig
im Kopf
tragen, das sie sie ausspeien müssen – die Künstler – die wollen das
natürlich
greifen und umgesetzt sehen. Ich meine dieses Risiko der Interpretation
und der
Vermittlung trägt die Kunst permanent in sich.
Drei
Naturen
Schon
in der Renaissance finden wir folgendes Bild ansprechen. Die Wildnis,
den
Ackerbau und als höchste Begegnungsform des Menschen mit der Natur die
Gartenkunst.
Heute weiß man aber im Grunde nicht, was man mit den Gärten tun soll. In
vielen historische Garten kriegt man so ein verträumtes Rüchlein mit
von der
alten Kaiserzeit. In Schönbrunn die Sissi, in Versailles ist es Ludwig
XIV, mit
all den Mätressen und Witzchen dazu. Wir sagen: Dem war natürlich nicht
so. Der
barocke Garten war immer höchste Repräsentation, höchste Technologie.
Die
Fontänen beispielsweise, die Brunnen in Versailles. Das war das
Maximum, das zu
dieser Zeit möglich war, vergleichbar mit der Weltraumfliegerei heute:
Ludwig
gebietet den Wassern sich zu bewegen. Und heute sagen die Historiker:
Das ist
ein Hauch vom Paradies. Keine Rede von Paradies. Das wäre wie wenn man
heute
nach Cap Canaveral geht und sagt, das ist ein Hauch vom Paradies. Ein
vollkommener Blödsinn. Hier wird verbrannt. Hier wird soviel verbrannt,
das ist
ein Garten des Feuers.
RF: Wie gehen Sie
konkret beim Mösle Stadion
mit diesem Mythos um. Soll dabei etwas entstehen, in dem der Mythos des
Events
sich dann manifestieren kann? Der Garten stellt den Mythos nicht
unmittelbar
dar. Ist das eine Ergänzung oder wie verhalten sich der Mythos und der
Garten
zueinander?
MT: Nein. Es geht um
Klärung und
Verdeutlichung des ganzen Umfeldes. Jetzt gibt es ja nur das Stadion
und ich
verlange vom Ort ein ganzes Spektrum an Sprachfähigkeiten. Das eine
ist, dass
das Stadion klar dargestellt wird. Das andere ist die Beziehung zum
benachbarten
Schulbau. Er wird geradezu hinter Bäumen versteckt. Die Beziehung
zwischen
Schule, Sport, Stadion und Umgebung verdient den Raum. Welche Form,
welche
Kernidee wäre so klar, dass sie diese Beziehung zusammenfasst. Dabei
kam ich auf den Begriff des Paradies, und zwar die alte Vorstellung des
Paradieses als eine geordnete Welt. Diese Geometrie, die aus der Idee
des
Paradieses kommt sah ich in einer Nähe zu dem, wie die Sportler heute
ihren
Raum wahrnehmen: In geordneten Bahnen, in gemessenen Formen. Diese
Zusammenführung hat mich zu dem Begriff “Hero´s Paradise” gebracht.
Zwei
Ebenen - Bewegung und Betrachtung
Die
Gartenflächen werden als Sportflächen ausgeprägt. Aus der Entwicklung
des
Stadions heraus entwickeln sich auch die Gartenwege. Im Stadion bewegen
sich
die präzisen Sportler und aus dieser Geometrie heraus wird eine zweite
Bewegungsebene geschaffen, die der Betrachtung. Der Gartenbesucher ist
ein
Betrachter, ist ein Reflektierender. Das drückt sich in der Bepflanzung
aus mit
Gemüsen und Spalierobst, aus denen sich die Sportler wieder nähren und
für die
Schüler als Anschauungsmaterial dienen. Zugleich erhalten die
Sportnutzungen
unterm Jahr diesen besonderen Rahmen, der einmal im Jahr seinen
Höhepunkt mit dem
Leichtathletik Meeting erlebt. Der Höhepunkt in einem Umfeld, das ihn
umrahmt,
erhöht, den Blick präzisiert. Das ist mein Anspruch an dieses Projekt.
Das
erste was von diesem Projekt errichtet werden würde ist die Mauer, eine
präzise
Abgrenzung. Jedes Paradies konstituiert sich aus der Mauer. Draußen ist
die
“wilde Welt”, die immer wieder durch die Blickbeziehungen kanalisiert
wird. Der
Betrachter wird durch diese Blickbeziehungen immer wieder genau darauf
hingewiesen.Drinnen ist die Bepflanzung, die sich rund um die Schule
noch
intensiviert, sodaß der Unterricht in Botanik dort durchgeführt werden
kann.
Das kann ausgebaut werden mit botanischen Beschriftungen auf der
Laufbahn. In
Videolauben - Busketten, Gartenzimmern mit Projektionen von Sportler-
und
Künstlerinterviews - thematisiere ich die Gegenüberstellung. Wenn Bruno
Giacometti auf die Frage warum er Kunst macht sagt: “ . .
um meine Kräfte zu vergeuden, um mich in dem
was ich schaffe, möglichst zu verausgaben, um Abenteuer zu erleben, um
neue Welten
zu entdecken, um meinen Kampf zu führen . . “ dann sind diese seltenen
und
einsamen Aussagen der direkte Schnittpunkt zwischen Sport und Kunst.
Auch Gidon
Kremer bringt in seiner Biografie immer wieder Aussagen, die auch von
Stefan
Eberharter stammten könnten.
Die
Genese von Bildern im Sport
Die
Sportfotografie ist heute unglaublich avanciert. Die Sportwelt lebt nur
von
Bildern, die wir eigentlich nicht sehen können. Das ist ein
unglaubliches
Potential. Zuerst
kannte man in der Kunstgeschichte nur die Bilder des Himmels. Dann
kamen mit
der Aufklärung und dem 19. Jhdt. die Bilder der Gegenwart. Und heute
liefert
uns die Sportfotografie Aufnahmen von Michael Schumacher, wie er bei
300 kmh
zwinkert. Doch die Menschen haben eine 1:1 Sinnlichkeit und der Garten
ist der
Ort, an dem alles sein Tempo hat.
Von
der Kunst zum Garten
Landschaftskunst
ist nicht mehr nur das ästhetische Spiel von Formen, das sich verloren
hat in
der Gestaltung von Beeten, sondern es geht mir darum der
Landschaftskunst eine
so heftige, so populäre Sprache wieder zu geben, wie sie einmal hatte.
So
mancher ist auf der Suche nach einem Weg aus dem blutarmen Spiel in der
Kunst.
Ich bin froh, dass ich den Weg in den Garten gefunden habe, weil solche
Fragen,
solche künstlerisch risikoreichen Fragen, wie sie sich in der
Landschaftskunst
stellen, in der Galerie, im “White Cube” gar nicht mehr auftauchen.
Dort gibt
es eine so verfeinerte Norm – durchaus im besten Sinne –, dass mich das
Zitherspiel auf dieser Seite nicht mehr interessiert. Das Potential
hingegen in
solch leeren Landschaften wie Silverstone raubt mir schier den Atem.
RF:
Vielen Dank für das Gespräch. erschienen in: "Kultur", Ausgabe Juli 2004 Robert Fabach * |
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